Tamoxifen ist ein Medikament, das seit vielen Jahren in der Behandlung von Brustkrebs Anwendung findet. Seit den 80er Jahren wurden auch immer wieder Erfolge in der Behandlung von Desmoiden berichtet. Tamoxifen gehört zur Gruppe der Antiöstrogene. Diese sind ‚Gegenspieler’ des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen. Genaueres zur Wirkungsweise siehe unten.

weitere Namen dieser Medikamentengruppe:

  • Antiöstrogene / Antiestrogene
  • Östrogen-Rezeptor-Antagonisten

Wann wird diese Behandlung durchgeführt?

Mit Tamoxifen werden vorwiegend behandelt:

  • langsam wachsende Tumore: Es kann bis zu mehreren Monaten dauern, bis die Wirkung von Tamoxifen eintritt. Bei schnell wachsenden Tumoren besteht somit die Gefahr, dass der Tumor in der Zeit bis zum Wirkeintritt des Medikaments so weit wächst, dass eine evtl. nötige spätere Behandlung sehr erschwert wird. Bei langsam wachsenden Tumoren ist diese Gefahr geringer.
  • Frauen: Es scheint, dass Frauen Tamoxifen besser vertragen als Männer. Ob die Erfolgsrate bei Männern und Frauen unterschiedlich ist, ist nicht bekannt. Eine Wirksamkeit bei Männern wurde aber nachgewiesen.
  • Nicht operable Tumore: Tamoxifen wird eingesetzt bei Desmoiden, die nicht operiert werden können. Die Grenze, ab wann ein Tumor als nicht mehr operabel gilt, ist dabei fließend. So muss immer individuell abgewogen werden, welche Folgen bei einer Operation in Kauf genommen werden und welche Behandlung wahrscheinlich das beste Ergebnis bringt.
  • Intra-abdominelle Tumore: Tumore, die im Bauchraum liegen, nennt man intra-abdominelle Tumore. Sie sind schwieriger zu operieren und zu bestrahlen, daher werden hier häufiger medikamentöse Behandlungsmethoden eingesetzt. Die meisten Studien, die sich mit Tamoxifen beschäftigen, wurden daher an intra-abdominellen Desmoiden durchgeführt. Aber auch für Desmoide, die außerhalb des Bauchraums liegen, wurde eine Wirkung nachgewiesen.

Tamoxifen wird häufig in der Kombination mit entzündungshemmenden Medikamenten eingesetzt. Die Medikamente scheinen sich in ihrer Wirkung positiv zu beeinflussen. Die antihormonelle Therapie wird bei etwa 10% aller Desmoide eingesetzt. Die Anzahl ist steigend, da diese Therapie immer besser erforscht wird. Die Häufigkeit des Einsatzes von Tamoxifen variiert von Klinik zu Klinik.

Welches Ziel hat die Behandlung?

Ziel dieser Behandlung ist es, das Wachstum des Tumors zum Stillstand zu bringen. Bei einigen Tumoren kann auch eine Verkleinerung erreicht werden, manchmal bis hin zu einem völligen Verschwinden.

Die Wirkung von Tamoxifen wird mit ungefähr 50 % angegeben. Das heißt, bei etwa 50 von 100 Patienten wächst der Tumor nicht weiter, bzw. wird kleiner. Ein weiteres wichtiges Ziel dieser Behandlung ist die Verbesserung der Symptome (zB. Schmerzen). Auch wenn der Tumor häufig nicht ganz verschwindet, kann in vielen Fällen eine Schmerzreduzierung erreicht werden.

Die Erfolgsrate dieser Behandlung ist im Vergleich zu den anderen Behandlungsmethoden nicht sehr hoch. Dies ist der Grund, warum einige Kliniken dieser Behandlung eher zurückhaltend gegenüberstehen. Der Vorteil von Tamoxifen liegt aber darin, dass es im Vergleich zu den anderen Behandlungsmethoden sehr gut verträglich ist. Es wird daher auch als‚ nicht-aggressive Alternative’ bezeichnet. Wenn ein Tumor also nicht schnell wächst und keiner akuten, schnell wirksamen Behandlung bedarf, kann ein Behandlungsversuch mit Tamoxifen unternommen werden. Hierdurch können aggressivere Behandlungen evtl. umgangen werden.

Wie lange hält die Wirkung an?

Wie bei anderen Behandlungsmethoden auch, kann der Desmoid bei einigen Patienten nach anfänglichem Ansprechen auf die Therapie wieder zu wachsen beginnen. Um zu sagen, bei wie vielen Patienten dies der Fall ist, liegen aber zur Zeit noch zu wenige Langzeiterfahrungen vor. Bei den übrigen Patienten führt die Behandlung zu einem dauerhaften Wachstumsstillstand.

Wann tritt die Wirkung ein?

Es kann bis zu vielen Monaten dauern, bis die Wirkung von Tamoxifen eintritt. Das bedeutet, dass der Tumor zu Beginn der Therapie noch weiter wachsen kann. Dies kann dann die Beurteilung schwierig machen, ob die Therapie überhaupt anschlägt oder nicht. Auf der anderen Seite kann sich der Tumor noch Monate nach Therapiebeginn verkleinern. Vorraussagen lassen sich hier nicht treffen. Es gibt die Vermutung, dass Tamoxifen am besten wirkt, wenn vorher keine andere Behandlung durchgeführt wurde. Allerdings basiert diese Vermutung auf Untersuchungen mit sehr wenigen Patienten, so dass es noch nicht möglich ist, sichere Aussagen zu treffen.

Wie funktioniert die Behandlung?

Antihormone sind, wie der Name schon sagt, Gegenspieler von Hormonen. In diesem Fall also Gegenspieler des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen. Man hat herausgefunden, dass Östrogen das Wachstum von Desmoiden fördern kann. Hinweise hierfür sind z.B. , dass Desmoide vermehrt bei Frauen entstehen und dort im allgemeinen schneller wachsen als bei Männern. Es sind auch Fälle bekannt, in denen Desmoide nach den Wechseljahren kleiner wurden oder ganz verschwunden sind. (Weiteres hierzu s. ‚Ursachen’). Außerdem wurden Östrogenrezeptoren bei Desmoiden nachgewiesen. Dies sind Stellen, an denen das Östrogen an den Tumorzellen ‚andocken’ kann.

Das Östrogen
Östrogen ist ein Hormon, das in verschiedenen Mengen immer im Körper vorhanden ist. Es regelt, mit anderen Hormonen zusammen, den weiblichen Zyklus, also Eisprung, Auf- und Abbau der Gebärmutterschleimhaut, der dann zur Monatsblutung führt, und auch den Knochenaufbau. Aber auch Männer produzieren in ihren Nebennieren Östrogen, allerdings besitzen sie davon geringere Mengen als Frauen.

Wie wirken Antiöstrogene?
Das Östrogen wirkt wachstumsfördernd auf die Tumorzelle, indem es an Rezeptoren bindet. Rezeptoren sind Bindungsstellen auf der Zelloberfläche, in die das Östrogen genau hineinpasst. Durch die Bindung wird der Rezeptor aktiviert und löst somit eine Wirkung innerhalb der Tumorzelle aus. Antiöstrogene sind nun Stoffe, die ähnlich ‚aussehen’ wie das Östrogen und die an die gleichen Rezeptoren binden können. Allerdings lösen sie dort keine Wirkung aus. Die Rezeptoren auf den Tumorzellen sind somit durch das Antiöstrogen besetzt und das Östrogen kann nicht mehr an sie binden. Das führt dazu, dass der Tumor kein Wachstumssignal mehr durch das Östrogen erhält und somit sein Wachstum einstellt.

Eine wichtige Frage und auch Gegenstand der heutigen Forschung ist, welche Desmoide auf das Tamoxifen ansprechen und welche nicht. Könnte man diese Frage beantworten, wäre es möglich, die Therapie gezielt bei den Patienten einzusetzen, bei denen sie auch wirkt. Wenn eine Biopsie (Probe) des Tumors genommen wird, wird immer auch geprüft, ob sich Östrogenrezeptoren auf den Tumorzellen befinden. Allerdings gibt es bis jetzt keinen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Östrogenrezeptoren auf dem Tumor und dem Ansprechen auf Tamoxifen. So sprechen auch Desmoide auf Tamoxifen an, bei denen keine Rezeptoren festgestellt wurden. Mögliche Erklärungen hierfür sind, dass das Tamoxifen evtl. auch über andere Wege wirkt als nur über die Rezeptoren. Vor einigen Jahren ist auch ein weiterer Östrogenrezeptor bekannt geworden (Östrogenrezeptor beta), den man vorher nicht kannte. Sein Vorkommen und seine Bedeutung bei Desmoiden wird zur Zeit erforscht.

Wie wird die Behandlung durchgeführt?

Tamoxifen wird als Tablette täglich eingenommen. Es wird dabei meist eine Dosis zwischen 120 mg und 200 mg verschrieben. Diese Dosis ist im Vergleich zu derjenigen in der Brustkrebsbehandlung sehr hoch. Man spricht daher auch von high-dose Therapie. Es scheint, dass Tamoxifen in dieser hohen Dosis bei Desmoiden besser wirkt als in niedriger Dosis.

Die Behandlung wird über einen langen Zeitraum durchgeführt. Wenn der Tumor auf die Therapie anspricht, kann das Medikament über Jahre eingenommen werden. Bleibt der Tumor dann über längere Zeit stabil, wird man versuchen, das Medikament langsam abzusetzen und beobachtet, wie der Tumor reagiert. Genaue Zeitangaben lassen sich hierzu nicht machen.

Substanzen

Tamoxifen ist das Medikament aus der Gruppe der Antiöstrogene, das am häufigsten eingesetzt wird und für das am meisten Forschungsdaten vorliegen. Seit einiger Zeit wird Raloxifen vermehrt verschrieben. Es hat einen ähnlichen Wirkmechanismus wie Tamoxifen, soll aber seltener Eierstockzysten verursachen. Auch die anderen Nebenwirkungen treten unter Raloxifen seltener auf.

Es gibt auch einige Substanzen, die auf anderen Wegen die Wirkung von Östrogen blockieren. Diese werden aber sehr selten eingesetzt, und über ihre Wirkung bei Desmoiden ist nicht viel bekannt. Sie können evtl. alternativ zu Tamoxifen eingesetzt werden, wenn dieses nicht wirkt. Hierzu gehören z.B. Testolacton und Progesteron

Welche Probleme können auftreten?

Im Vergleich zu den anderen Behandlungsmethoden, die bei Desmoiden angewandt werden, sind die Antihormone sehr gut verträglich. Trotzdem sind sie nicht nebenwirkungsfrei, va. da sie häufig über viele Jahre gegeben werden. Folgende Nebenwirkungen können auftreten:

  • Wechseljahresbeschwerden: Die Östrogene sind im Körper va. dafür verantwortlich, den weiblichen Zyklus aufrecht zu erhalten. Frauen vor der Menopause müssen deshalb damit rechnen, dass es durch die Antihormone zu einem Stillstand des Zyklus kommt (ähnlich wie in den Wechseljahren). Es können die hierfür typischen Beschwerden auftreten : Ausbleiben der Regel (evtl. aber auch verstärkte Blutungen), Hitzewallungen, Schlaf-störungen, Gewichtszunahme, manchmal depressive Verstimmung und Konzentrations-störungen. Diese Beschwerden sind allerdings sehr unterschiedlich ausgeprägt (wie auch bei Frauen, die regulär in die Wechseljahre kommen) und treten auch nicht bei allen Frauen auf. Außerdem können sie sich im Verlauf der Therapie bessern und es gibt verschiedene Möglichkeiten, sie zu lindern. Fragen Sie hierzu Ihren Arzt und versuchen Sie auch selbst herauszufinden, was Ihnen gut tut.
    Diese Beschwerden bilden sich nach Absetzen der Therapie meist vollständig zurück, so dass Schwangerschaften nach der Therapie meist wieder möglich sind. Das hängt vor allem vom Alter der Patientin ab. Jüngere Patientinnen entwickeln sehr häufig wieder einen normalen Zyklus. Bei Patientinnen über 40 ist dies eher die Ausnahme.
  •  Auswirkungen auf die Sexualität: Durch den Hormonentzug kann es zu einer Trockenheit und Reizung der Vaginalschleimhaut und zu einer Abnahme der Libido kommen. Dies wird von den betroffenen Frauen häufig als belastend empfunden. Scheuen Sie sich nicht, Ihren Arzt/Ihre Ärztin darauf anzusprechen. Verbesserungen können evtl. durch Gleitcremes oder östrogenhaltige Salben in niedriger Dosierung erreicht werden..
  • Eierstockzysten: Hierbei handelt es sich um flüssigkeitsgefüllte ‚Bläschen’ , die sich in den Eierstöcken (Ovarien) bilden. Diese sind meist harmlos und bilden sich auch häufig von selbst wieder zurück. Auch bei Frauen, die keine antihormonelle Therapie erhalten, können hin und wieder Eierstockzysten entstehen. In seltenen Fällen kann es nötig werden, sie durch die Vagina zu punktieren (die Flüssigkeit abzusaugen) oder evtl. in einer kleinen Operation zu entfernen. Eierstockzysten treten bei ca. 40% der Patienten auf.
  • Veränderungen an der Gebärmutterschleimhaut: Es kann zu unregelmäßigen vaginalen Blutungen und gutartigen Veränderungen an der Schleimhaut kommen. Außerdem besteht ein gering erhöhtes Risiko, Gebärmutterkrebs zu entwickeln. Durch Kontrollen können diese Veränderungen (frühzeitig) erkannt werden.
  • Thromboseneigung: Es besteht ein leicht erhöhtes Risiko für einen Verschluss der Gefäße an den Beinen. Eine Thrombose äußert sich durch Schwellung, Rötung und Schmerzen in einem Bein. Begünstigt wird sie durch weitere Risikofaktoren wie Rauchen, langes Sitzen.
  • Linsentrübung: In wenigen Fällen kann sich ein grauer Star/ Katarakt (also eine Linsentrübung am Auge) entwickeln. Dies betrifft vor allem ältere Patienten.

Nebenwirkungen bei Männern:
Es gibt wenige Untersuchungen, die sich damit beschäftigen, wie Männer Tamoxifen vertragen. Einige Erfahrungen liegen vor aus der Behandlung von Brustkrebs bei Männern. Es scheint, dass Männer Tamoxifen schlechter vertragen als Frauen. Nebenwirkungen, die genannt werden, sind:
Potenzprobleme und ein nachlassendes Interesse an Sexualität insgesamt (bei ca. 30%), Gewichtszunahme, Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, erhöhte Thromboseneigung. Wie stark diese Nebenwirkungen die Lebensqualität beeinträchtigen und ob sie überhaupt auftreten, kann schwer vorhergesagt werden.

Welche Wechselwirkungen zu anderen Medikamenten bestehen?

Bei gleichzeitiger Gabe von Tamoxifen mit anderen Medikamenten kann es zu Wechselwirkungen kommen. Dabei ist bei allen Medikamenten Aufmerksamkeit geboten, in denen Östrogene enthalten sind. Wenn Sie unsicher sind, wenden Sie sich an Ihren Arzt.

  • Hormonersatztherapie: Sie wird bei manchen Frauen durchgeführt, um die Nebenwirkungen der Wechseljahre zu vermindern oder um eine Osteoporose (poröse Knochen) zu verhindern. Sie besteht aus der Gabe von Östrogenen, wirkt also der antihormonellen Therapie genau entgegen.
  • Orale Kontrazeptiva (Pille): Auch in der Pille sind meist Östrogene enthalten. Außerdem erhöht die Einnahme der Pille das bestehende Thromboserisiko. Es wird daher empfohlen, andere Formen der Verhütung (zB. die Spirale) zu benutzen.
  • Östrogen-haltige Cremes: Die Verwendung von nur örtlich aufgetragenen östrogenhaltigen Cremes zur Verbesserung der Vaginalschleimhaut wird heute nicht mehr so kritisch gesehen.

Kontrolluntersuchungen

Einige regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind zu empfehlen, um ggf. auftretende Nebenwirkungen frühzeitig entdecken und behandeln zu können:

    • Blutwerte, Leberwerte
    • Kontrolle beim Augenarzt (grauer Star)
    • vaginaler Ultraschall, um die Gebärmutterschleimhaut beurteilen zu können
    • Ultraschall der Eierstöcke.

Welche weiteren Behandlungen sind nach einer antihormonellen Behandlung möglich?

Ein Vorteil der antihormonellen Behandlung ist, dass andere Behandlungsmöglichkeiten weiterhin offen stehen. Es ist nicht bekannt, dass die antihormonelle Therapie andere Behandlungsverfahren beeinflusst. Es ist allerdings zu beachten, dass in der Zeit, in der man auf den Wirkeintritt des Medikaments wartet, der Tumor weiter wachsen und dann durch seine Größe und evtl. ein Einwachsen in Nerven, Blutgefäße,... eine möglicherweise folgende Therapie schwieriger machen kann.

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