Entzündungshemmende Medikamente (NSAID) werden üblicherweise als Schmerzmittel eingesetzt. Besser bekannte Substanzen aus dieser Medikamentengruppe sind zB. Ibuprofen und Diclofenac.
Auch in der Rheumatherapie werden sie langfristig eingesetzt. In der neueren Forschung hat sich herausgestellt, dass diese Medikamente auch eine wachstumshemmende Wirkung auf Tumore haben. Am besten erforscht ist ihre Wirkung auf Darmkrebs.

Der Effekt der NSAID auf Desmoide wurde zufällig entdeckt, als sich um 1980 der Desmoidtumor einer Patientin zurückbildete, die aus anderen Gründen mit NSAID behandelt wurde. Seitdem sind einige Studien zu diesem Thema erschienen.

Weitere Namen dieser Medikamentengruppe sind:

  • NSAID: nicht-steroidale-anti-inflammatorische-Medikamente (engl: drugs)
  • NSAR: nicht-steroidale-Antirheumatika
  • COX-Hemmer oder COX-Inhibitoren

Wann wird diese Behandlung durchgeführt?

Eine Behandlung mit NSAID wird meist in Kombination mit Antihormonen durchgeführt, denn die Medikamente scheinen sich in ihrer Wirkung positiv zu beeinflussen.

Für den Anwendungsbereich gelten ähnliche Angaben wie für die Antihormone:

langsam wachsende Tumore: Es kann bis zu mehreren Monaten dauern, bis die Wirkung der NSAID eintritt. Bei schnell wachsenden Tumoren besteht somit die Gefahr, dass der Tumor in der Zeit bis zum Wirkeintritt des Medikaments so weit wächst, dass eine evtl. nötige spätere Behandlung sehr erschwert wird. Bei langsam wachsenden Tumoren ist diese Gefahr geringer.

Nicht operable Tumore: NSAID werden eingesetzt bei Desmoiden, die nicht operiert werden können. Die Grenze, ab wann ein Tumor als nicht mehr operabel gilt, ist dabei fließend. So muss immer individuell abgewogen werden, welche Folgen bei einer Operation in Kauf genommen werden und welche Behandlung wahrscheinlich das beste Ergebnis bringt.

Intra-abdominelle Tumore: Tumore, die im Bauchraum liegen, nennt man intra-abdominelle Tumore. Sie sind schwieriger zu operieren und zu bestrahlen, daher werden hier häufiger medikamentöse Behandlungsmethoden eingesetzt. Die meisten Studien, die sich mit NSAID beschäftigen, wurden daher an intra-abdominellen Desmoiden durchgeführt. Aber auch für Desmoide, die außerhalb des Bauchraums liegen, wurde eine Wirkung nachgewiesen.

Welches Ziel hat die Behandlung?

Ziel dieser Behandlung ist es, das Wachstum des Tumors zum Stillstand zu bringen. Bei einigen Tumoren kann auch eine Verkleinerung erreicht werden, bis hin zu einem völligen Verschwinden. Dieses Ziel wird durch die alleinige Therapie mit NSAID bei etwa 50% der Patienten erreicht werden. Genaue Angaben sind aber nicht möglich, da zur Wirkung von NSAID nur recht wenige Studien vorliegen.

Wenn NSAID mit Tamoxifen kombiniert werden, liegt die gemeinsame Wirksamkeit etwas höher. Eine genaue Zahl lässt sich aber auch hier aufgrund der wenigen Studien nicht nennen.

Auch die Verbesserung von Symptomen (zB. Schmerzen) ist ein wichtiges Ziel, das durch diese Behandlung häufig erreicht wird.

Wie funktioniert die Behandlung?

NSAID werden üblicherweise als Schmerzmittel und gegen Entzündungen eingesetzt. Sie wirken, indem sie die Herstellung von Stoffen hemmen, die bei der Entstehung von Entzündungen eine wichtige Rolle spielen.

Wie NSAID auf das Wachstum von Tumoren wirken, ist nicht genau geklärt. Eine Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Proteine (Eiweißstoffe) beta-catenin und APC, die im menschlichen Körper vorkommen. Ihre Aufgabe ist es, zusammen mit anderen Stoffen, das Wachstum der Zelle zu steuern. Liegt ein Defekt in einem dieser Proteine vor, kommt es zu einem vermehrten Zellwachstum. Durch dieses überschießende Zellwachstum können dann Tumore entstehen. Es hat sich gezeigt, dass dieser Mechanismus sowohl eine Rolle spielt bei der Entstehung von Darmpolypen bei der FAP als auch bei der Entstehung von Desmoiden. Im Falle der FAP kann dieser Defekt vererbt werden, bei Desmoiden ist dies nicht der Fall, sondern er entsteht durch unbekannte Einflüsse bei jedem Patienten neu.

Die NSAID greifen in diesen Mechanismus ein. Sie werden daher sowohl in der Behandlung von Desmoiden eingesetzt als auch in der Behandlung der FAP. Dies ist der Grund, warum die meisten Studien zum Einsatz von NSAID bei Desmoiden mit Patienten durchgeführt wurden, die zusätzlich an einer FAP erkrankt sind. NSAID werden aber auch bei Patienten eingesetzt, die nicht an einer FAP erkrankt sind.

Wie läuft die Behandlung ab?

Es handelt sich bei den NSAID um Tabletten, die zweimal täglich eingenommen werden. Meist in einer Dosis von ca. 300mg. Die Behandlung wird über einen langen Zeitraum durchgeführt. Wenn der Tumor auf die Therapie anspricht, kann das Medikament über viele Jahre eingenommen werden. Bleibt der Tumor dann über längere Zeit stabil, wird üblicherweise versucht, das Medikament abzusetzen und beobachtet, wie der Tumor reagiert.

Die Therapie schlägt langsam an, dh. es dauert meist viele Monate bis hin zu Jahren, bis das endgültige Ergebnis erreicht ist. Es wird deshalb empfohlen, die Therapie über einige Monate beizubehalten, auch wenn sich zunächst keine Wirkung zeigt. Es gibt Berichte von Desmoiden, die erst nach 2 Jahren auf die Therapie angesprochen haben. Manchmal kann der Tumor zu Beginn der Therapie erst noch weiter wachsen. Dies kann dann die Beurteilung schwierig machen, ob die Therapie überhaupt anschlägt oder nicht.

Substanzen

Die am häufigsten eingesetzten Medikamente dieser Gruppe sind Sulindac und Indometacin. Die beiden Medikamente sind sich sehr ähnlich, bei Sulindac handelt es sich um eine leicht veränderte Form von Indometacin.

Es gibt die Vermutung, dass Sulindac eine bessere Wirkung auf Desmoide zeigt als Indometacin. Folgender Mechanismus scheint dabei von Bedeutung zu sein:

Sulindac wird im Körper in zwei verschiedene Stoffe umgewandelt (Sulindac-sulfid und Sulindac-sulfon).

  • Sulindac-sulfid wirkt über den oben beschriebenen Mechanismus.
  • Sulindac-sulfon soll über einen anderen, unbekannten Mechanismus zusätzlich das Tumorwachstum hemmen.

Diese (vermutete) zusätzliche Wirkung fehlt dem Indometacin.

Eine Studie, in der die Wirkung der beiden Medikamente auf Desmoide verglichen wird, gibt es bisher nicht. Es ist aber festzustellen, dass in den Studien zu den beiden Medikamenten meist Sulindac verwendet wird. Somit können über das Sulindac bessere Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit getroffen werden, weil mehr Studien dazu vorliegen.

Ein weiterer Vorteil des Sulindac ist seine bessere Verträglichkeit im Vergleich zu Indometacin. Es verursacht weniger Magen-Darm-Beschwerden, außerdem kann Indometacin in sehr seltenen Fällen eine Störung des Knochenmarks hervorrufen. Diese Nebenwirkung fehlt dem Sulindac.

Sulindac ist allerdings in Deutschland nicht gelistet. Das bedeutet, es ist häufig nicht problemlos über die Apotheken zu bekommen und bei einigen Krankenkassen kann die Erstattung der Kosten schwierig werden.

Seit einiger Zeit gibt es auf dem Markt auch ein Medikament namens Celecoxib. Dies ist eine Weiterentwicklung der oben genannten Medikamente. Celecoxib hat den Vorteil, dass es weniger Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt hervorruft. Mittlerweile hat sich aber herausgestellt, dass Celecoxib zu einem erhöhten Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen führt. Es sollte daher nicht an Patienten verschrieben werden, die bereits Beschwerden am Herzen haben. In der Therapie der Desmoide kann es als Alternative eingesetzt werden, wenn die anderen NSAID nicht vertragen werden. Es gibt hierzu allerdings bisher nur sehr wenige Daten.

Welche Probleme können auftreten?

Im Vergleich zu den anderen Behandlungen, die bei Desmoiden angewandt werden, sind die NSAID sehr gut verträglich. Bei langer Einnahme, wie sie in der Desmoidbehandlung nötig ist, sollten aber folgende Nebenwirkungen beachtet werden:

  • Die häufigste Nebenwirkung ist eine Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut.
    Sie tritt bei über 30 % der Patienten auf. Diese Schädigung kann zu Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Appetitlosigkeit führen. Langfristig kann es zu Magenblutungen oder chronischen Entzündungen mit Schleimhautschädigung (Ulkus) kommen. Es kann daher sinnvoll sein, vorbeugend magenschützende Medikamente zu nehmen.
  • Verschlechterung der Nierenfunktion. Diese kann sofort oder nach jahrelanger Einnahme auftreten. Die Nierenwerte sollten daher regelmäßig überprüft werden, um evtl. Schädigungen frühzeitig zu erkennen. Zu beachten ist diese Nebenwirkung va. bei Patienten, die bereits Beschwerden mit ihren Nieren haben. Durch die Einnahme von NSAID kann es auch zu Ödemen (Wassereinlagerungen in den Beinen) oder zu einem erhöhten Blutdruck kommen.

Weitere, seltene Nebenwirkungen sind:

  • Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit
  •  Auftreten von Allergien oder erneute Aktivierung alter Allergien
  • erhöhte Blutungsneigung (zB. Zahnfleischbluten)
  • selten kann auch die Leber geschädigt werden
  • NSAID können zu einer Hemmung der Wehen führen, daher dürfen sie gegen Ende der Schwangerschaft nicht eingenommen werden.

Kontrolluntersuchungen

Während der Therapie mit NSAID sollte regelmäßig das Blut untersucht werden, um evtl. auftretende Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können:

Hierzu gehören:

  • Blutwerte, dh. Blutkörperchen
  • Nierenwerte
  • Leberwerte

Diese Untersuchungen können vom Hausarzt, in Zusammenarbeit mit der behandelnden Klinik, durchgeführt werden.

Welche weiteren Behandlungen sind nach einer
NSAID - Einnahme möglich?

Es sind keine Wechselwirkungen mit anderen Behandlungsmethoden für Desmoide bekannt. Allerdings ist zu beachten, dass in der Zeit, in der man auf den Wirkeintritt des Medikaments wartet, der Tumor weiter wachsen und dann durch seine Größe und evtl. ein Einwachsen in Nerven, Blutgefäße etc. eine möglicherweise folgende Therapie erschweren kann.

 

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Zusätzliche Informationen